- June 16, 2022
- 7 Minuten Lesezeit
Pirate Funnel (AAARRR):
Das Framework für schnelles Wachstum
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Wenn es um die Frage geht, welcher DER richtige Marketing Funnel ist, um die Customer Journey richtig darzustellen, scheiden sich die Geister. Es gibt viele Varianten, manche darunter illustrieren einen Kaufprozess und einige die gesamte Kundenbeziehung. Welches Modell das “richtige” ist, kann man nicht pauschal festgelegen.
Entscheidend ist, den passenden Funnel für den eigenen Anwendungsfall zu wählen. Wenn das Wachstum für digitale Geschäftsmodelle im Vordergrund steht, wird häufig der Pirate Funnel verwendet.
Für das Wachstum eines Unternehmens ist die Gewinnung neuer Kunden notwendig. Es reicht jedoch nicht aus, einfach mehr Besucher auf seine Website zu locken. Es reicht auch nicht aus, Nutzer mit dem eigenen Produkt in Berührung zu bringen und diese dann im Regen stehen zu lassen.
Deshalb wird der gesamte Customer Lifecycle beim wachstumsorientierten Marketing – so auch das Growth Hacking – durch einen speziellen Funnel dargestellt, dem Pirate Funnel. Anders als bei klassischen Sales Funnels wird in diesem nicht nur der Prozess der Kaufentscheidung abgebildet.
Die sechs Phasen des Pirate Funnel
Beim Pirate Funnel teilt man den gesamten Customer Lifecycle in sechs Phasen auf. Diese lauten:
Awareness
Acquisition
Activation
Retention
Revenue
Referral
Oder kurz zusammengefasst – AAARRR. Einige Modelle teilen die Kundenbeziehung nur in fünf Schritte ein und verzichten auf die erste Stage, also die Phase der Awareness. Dieser Blogartikel beschreibt allerdings den erweiterten Pirate Funnel mit sechs Phasen.
Der Begriff "Pirate Funnel" wurde vom Unternehmer Dave McClure geprägt und bezieht sich auf den Prozess der Gewinnung neuer Nutzer für ein Produkt.
Im Detail drücken die sechs Phasen im Pirate Funnel folgendes aus:
Awareness
Zu Beginn geht es darum, die Aufmerksamkeit der Kunden zu gewinnen, um sie dazu zu bringen, eine Website oder ein Produkt auszuprobieren. Oftmals spricht man dabei auch über Brand Awareness.
Um das zu erreichen, gibt es weitaus mehr als das Platzieren von bezahlten Anzeigen im Internet. Growth Hacking ist dafür da, kreative, günstigere und oft sogar effektivere Methoden zu finden, um Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Und das Besondere dabei ist, dass Awareness Hacks in der Regel hochskaliert stattfinden. Mit der Hilfe der Automation nutzt der Growth Marketer die Möglichkeit, so viele potenzielle Interessanten auf sein Produkt aufmerksam zu machen, wie möglich. Der Trichter wird also zu Beginn mit möglichst vielen Teilnehmern der potenziellen Zielgruppe gefüllt.
Denn wichtig zu erwähnen – ein Growth Hacker agiert datengetrieben. Und um aussagekräftige Daten zu erhalten, sollten möglichst viele gesammelt werden.
Der Pirate Funnel ist also ein Marketing Instrument, das mit der Nutzergewinnung durch unübliche oder unorthodoxe Mittel – darunter auch das Growth Hacking – beginnt.
Sobald man erste Touchpoints mit potenziellen Käufern geschaffen hat, begleitet man interessierte Nutzer über fünf darauffolgende Schritte, die dabei helfen, diese einmaligen Nutzer in begeisterte Fans und Markenbefürworter zu verwandeln.
Acquisition
Hast du genug Aufmerksamkeit erzielt, gilt es, Menschen dazu zu bekommen, dein Produkt auszuprobieren. Das kann durch verschiedene Marketing-Techniken wie Suchmaschinenoptimierung (SEO), E-Mail-Marketing oder Social Media-Marketing erreicht werden.
Ganz wichtig ist in der Acquisition Stage auch die gute Umsetzung der Website oder Landingpage, die oftmals den letzten Schritt zur Registrierung, zur Bestellung oder zum Download darstellt.
Ziel ist es bis hier hin also, so viele potenzielle Kunden wie möglich auf (zum Beispiel) eine Website zu bringen und sie dazu zu bewegen, ein Angebot auszuprobieren.
In der Acquisition Stage können erste wichtige Daten zur Zielgruppe gesammelt werden. Denn an diesem Punkt entscheidet sich erstmalig, wer tatsächlich für ein Produkt Interesse zeigt und wer nur Streuverlust aus deinen ersten Marketing Maßnahmen ist.
Ist also die erste Phase (Awareness schaffen) durchlaufen, beginnt man damit, interessierte Menschen dazu zu motivieren, das Produkt zu testen. Hat man das geschafft, wurden die Nutzer erfolgreich erstmalig akquiriert und die Acquisition Stage wurde durchlaufen.
Activation
Die dritte Stage eines Funnels ist die erste Stufe, in der sich ein Nutzer in deinem Produkt befindet. In der Activation Stage muss der User dein Produkt kennenlernen und verstehen, wie es ihm helfen kann und wie es sein Problem löst.
Im Growth Hacking Jargon spricht man davon, den Nutzer zum sogenannten „Aha-Moment“ oder „Wow-Effekt“ zu führen. Man versucht ihn möglichst ohne Umwege den Mehrwert des Produktes erfahren zu lassen, sodass er wieder kommt.
In dieser Phase ist es also wichtig, dass der erste Eindruck sitzt. Vor oder während der erstmaligen Nutzung von Softwares, SaaS oder Plattformen ist die Abwanderungsrate (Churn Rate) besonders hoch. Ein anständiges Onboarding, das weder zu kurz noch zu lang ist, hilft zum Beispiel, die Abwanderungsrate möglichst gering zu halten.
Ebenso können kleine Einführungen wie kurze, interaktive Tutorials dem User dabei helfen, sich schnell in Produkten zurechtzufinden. Der Nutzer sollte also früh genug zum „First Strike“ geführt werden. Also in den Bereich einer Software oder Plattform geführt werden, in dem er auch den Nutzen erkennt. Der First Strike ist deshalb eine Bezeichnung für die erste Interaktion eines Nutzers mit dem Key Feature eines Produkts.
Auch wenn die Abwanderungsrate durch solche Maßnahmen möglichst klein gehalten werden kann, wird die absolute Zahl niemals klein sein. Eine Bounce Rate von 50 Prozent oder mehr ist also auch bei erfolgreichen Produkten nicht per se ein schlechter Wert. Activation Hacks kommen hier ins Spiel, um diesen Wert Stück für Stück zu optimieren.
Das Ziel der dritten Stage im Pirate Funnel, der Phase der Activation, ist es also, ohne Umwege einen Wow-Effekt oder Aha-Moment zu erzeugen, der den Mehrwert des Produktes deutlich macht. Der Kunde sollte hier auch erkennen, warum das Produkt besser ist als das der Konkurrenz.
Retention
Die Retention Stage ist die Phase, in der sich Kunden entscheiden, ob sie ein Produkt wirklich weiterhin nutzen wollen. In dieser Phase muss man also kreativ sein und interessante Inhalte produzieren, um seine Nutzer bei Laune zu halten.
Als Erfolgswert lässt sich auch hier die Churn Rate und zudem die Zeit der Inaktivität heranziehen. Versuche, möglichst viele User zu Beginn nicht zu verlieren und bringe sie dazu, dein Produkt möglichst häufig aktiv zu nutzen.
Beim Growth Hacking werden auch für die Retention Stage in der Customer Journey bewehrte Methoden und kreative Experimente getestet. So können je nach Anwendungsfall zum Beispiel regelmäßige E-Mails, die abhängig von der Zeit der Inaktivität des Users ausgesendet werden, wahre Wunder bewirken. Für Apps eigenen sich hingegen Push Notifications besonders. Auch Newsletter und Informationen zu (großen) Updates holen Nutzer zurück.
Doch nicht nur Gegenmaßnahmen, die bei Inaktivität der Nutzer eingeleitet werden, sind eine Möglichkeit. Auch präventive Maßnahmen können User dazu motivieren, aktiv zu bleiben. Zum Beispiel lassen sich durch Meilensteine Erfolge deiner User zelebrieren.
Für derartige Growth Hacks eignen sich vor allem Gamification Ansätze. Also zum Beispiel ein kreatives Punkte- oder Levelsystem, dass den Nutzer daran erinnert, wie stark seine Bindung zur Marke ist. Bietet man zusätzlich Belohnungen für das Erreichen dieser Meilensteine, kann der Effekt richtig einschlagen.
Die Retention Stage bietet einige Möglichkeiten, sich kreativ auszuleben. Wichtig ist es dennoch, bei allen Growth Hacks die richtigen Daten heranzuziehen, um den Erfolg der einzelnen Experimente zu messen.
Referral
Die vorletzte Phase – in einigen Modellen auch die letzte – ist die Referral Stage. Durchlaufen Nutzer diese Phase, lieben sie dein Produkt und empfehlen es gerne Freunden und Familie. Weiterempfehlungsmarketing ist das stärkste Marketing. Du bezahlst nichts dafür, dass aktive User über Mundpropaganda neue Nutzer in dein Produkt holen.
Im Optimalfall empfehlen Nutzer dich ohne Anreize von dir weiter. Tatsächlich ist das gar nicht so selten der Fall. Mit Sicherheit erwischt auch regelmäßig dabei, wie du unbezahlte Werbung für ein Produkt machst, dass du lange und gerne nutzt.
Um seine Nutzer zusätzlich dazu zu motivieren, Produkte weiterzuempfehlen, gibt es verschiedene Referral Hacks, bei denen diese User sogar davon profitieren, dass sie ein Produkt weiterempfehlen. Hier zählen das richtige Timing und der beste Anreiz.
Der beste Anreiz ist kein Shopping Gutschein oder eine Geldprämie. Der richtige Ansatz ist eine Leistung innerhalb des Produktes. Dropbox zum Beispiel hat seine Nutzerbasis extrem zum Wachsen gebracht, als sie ein Referral Programm eingeführt haben, bei dem ihre User für jede Weiterempfehlung kostenlos ihren Cloud Speicher erweitern konnten.
Das ist nicht nur deshalb ein extrem guter Growth Hack, weil man quasi keinen Kostenaufwand hat, um neue Nutzer zu gewinnen. Sondern zugleich, weil der Werbende etwas bekommt, das ihn weiter an deine Marke bindet. Und von der Belohnung profitiert er, da er ein aktiver Nutzer deines Produktes ist – Stichwort „richtiges Timing”.
Hier findest du weitere Growth Hacking Beispiele aus der Praxis
Ganz gleich ob mit oder ohne Anreiz – um Nutzer dazu zu motivieren, ein Produkt weiterzuempfehlen, müssen sie es gut finden. Deshalb ist bis hierhin wichtig, ein benutzerfreundliches Erlebnis mit tollen Features und leicht zu erkennbarem Mehrwert notwendig.
Revenue
Die Revenue Stage im Pirate Funnel ist die Phase, in der potenzielle Kunden in zahlende Kunden umgewandelt werden.
In dieser Phase muss sich der Marketer auf die Monetarisierung seines Produktes konzentrieren und versuchen, so viele Kunden wie möglich zu überzeugen, das Produkt oder die Dienstleistung zu kaufen.
Hier muss man also die richtige Balance zwischen Preis und Nutzen finden. Möglichst viele Nutzer sollten den Mehrwert wie in der Activation Phase beschrieben möglichst hoch bewerten, sodass ein Preis sich rechtfertigt.
Neben dem Preis-Leistungs-Verhältnis ist aber auch das richtige Monetarisierungs-Modell in der Revenue Stage ausschlaggebend. So macht es einen Unterschied, ob Produkte einmalig erworben werden oder (zusätzlich) im Abo Modell angeboten werden.
Genauso ist von Relevanz, ob und wie man es Nutzern ermöglicht, ein Produkt zu testen. Wählt man lieber eine Free-Trial oder doch eher ein Freemium Modell? Oder überhaupt eine Testphase? Zur Beantwortung dieser Fragen schaut der Growth Hacker wie in jeder Stufe des Pirate Funnels in seine Zauberkugel – sein Analytics Tool.
Durch das experimentelle Growth Hacking lässt sich zum Beispiel die Zeit herausfinden, die Interessenten unter Nutzung der premium Features für eine Kaufentscheidung benötigen. An diese Zeit sollte dann auch die Länge einer Free-Trial Phase angepasst werden.
Auch in der Revenue Phase lassen sich die besten Erfolge erzielen, wenn man durch Growth Hacks Optimierungspotenziale entdeckt.
Der Nutzer hat den Funnel durchlaufen. Und jetzt?...
Wenn ein User alle Phasen deines Pirate Funnels durchlaufen hat und dein Produkt so sehr mögen, dass sie dich freiwillig oder durch unterstützende Anreize weiterempfehlen, wird dein eigener Funnel zum Acquisition Kanal.
Kommen neue Nutzer durch die Empfehlung eines bestehenden in dein Produkt, durchlaufen diese den Funnel selbst. Der Prozess ist also nie abgeschlossen, sondern ein Kreislauf.
Natürlich musst du berücksichtigen, dass Nutzer, die durch Empfehlungen zu dir kamen, gesondert betrachtet werden müssen. Schließlich weiß ein erfolgreicher Marketer, woher seine Kunden kommen.
Die Kunst liegt darin, Daten zu sammeln, zu dokumentieren und daraus zu lernen. Durchlaufen Nutzer deinen Funnel, lassen sich aus den gewonnenen Daten neue Maßnahmen ableiten, die hier und dort Potenziale decken und Löcher stopfen.
Man sollte also die einzelnen Stages seines Funnels ständig überwachen und immer weiter optimieren. Jeder einzelne Growth Hack kann dort ansetzen.
Fazit
Der Pirate Funnel kann ein effektives Framework sein, um Marketing-Prozesse zu optimieren und ein Unternehmen wachsen zu lassen, aber es ist wichtig zu bedenken, dass er kein Wundermittel ist. Wie jeder andere Marketing Funnel oder Sales Funnel muss auch der Pirate Funnel richtig interpretiert und eingesetzt werden, um erfolgreich zu sein.
Wenn du Growth Hacking im Detail kennenlernen willst, dann schau dir als nächstes diesen umfangreichen Growth Hacking Guide an.
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